Rheinfähre Walsum

„Glück auf“ die Rheinfähre kommt

„Heute bist du aber spät dran“, ruft Dirk Nowakowski einer jungen Autofahrerin zu. Man kennt sich, weiß um Routinen, pflegt den saloppen Umgang auf der Rheinfähre „Glück auf“. Seit 1958 pendelt sie zwischen Walsum auf Duisburger Seite und Orsoy auf Rheinberger Gebiet.

Dirk Nowakowski pflegt den Plausch mit seiner Kundschaft.
Dirk Nowakowski pflegt den Plausch mit seiner Kundschaft.

Nowakowski ist der oberste Fährmann bei Rheinkilometer 792,6. „Ich habe schon viele Stammkunden“, sagt der Schiffführer, „vor allem Berufspendler. Da schnackt man schon mal gerne.“ Die knapp 300 Meter von Ufer zu Ufer legt die letzte verbliebene Autofähre am Niederrhein unter der Woche von 6.15 Uhr bis 20 Uhr ununterbrochen zurück. Während der Sommerzeit legt sie am Wochenende schon ab 8 Uhr los. Keine fünf Minuten dauert die Überfahrt bei gemütlichen 10 Stundenkilometern.

Je nach Hochwasserlage steuert die "Glück auf" verschiedene Anleger an.
Je nach Hochwasserlage steuert die "Glück auf" verschiedene Anleger an.

Die Fährverbindung Walsum-Orsoy zwischen der heutigen Industriekulisse des Steag-Kraftwerks und den grünen Au-Wiesen ist seit dem 17. Jahrhundert eine bedeutende Querungshilfe für den Rhein. Die Bergbaugesellschaft Walsum baute vor nunmehr 67 Jahren die noch heute aktive Fähre „Glück auf“, um die Bergleute schneller zu einem Schacht in Rheinberg zu bringen, der nie seinen Betrieb aufnahm. Die Zeche ging, die Fähre blieb.

Achtung, Kahn kreuzt! Der Schiffsverkehr flussauf- und flussabwärts hat Vorfahrt.

„44 Jahre lang hatte mein Stiefvater die Fähre betrieben“, erzählt Dirk Nowakowski. „Weil seine Kinder den Pendelverkehr nicht übernehmen wollten, hat er vor 20 Jahren mich gefragt.“ Nowakowski – gelernter Klempner – musste nicht lange überlegen. „Ich bin ja mit dem Boot groß geworden. Jetzt möchte ich nichts anderes mehr machen." Die Entscheidung war alles andere als ein R(h)einfall: "Das ist keine Arbeit, das ist Berufung!“ Um halb sechs in der Früh beginnt Nowakowskis Arbeitstag. Dann macht er erstmal klar Schiff und genießt einen Kaffee. Im Zwei-Schicht-Betrieb sind immer zwei Mann an Bord. Einer kassiert unten, einer steht oben im Führerstand. „Ich kassiere aber lieber“, gesteht der 53-Jährige. Wegen des launigen Smalltalks, für den ihn seinen Kunden schätzen.

Autofahrer, Fußgänger, Radfahrende - alle sitzen im selben Boot.

„Wir haben hier an Bord schon so ziemlich alles erlebt“, erinnert sich der Walsumer Jung, der inzwischen sogar Inhaber des großen Rheinpatents ist, was ihn dazu berechtigt, die Fähre auch flussaufwärts zur Werft nach Meiderich zu schippern. „Einmal haben wir ein Auto aus dem Fluss gezogen und auch Kinder haben wir schon gerettet.“ Ganzjährig ist Betrieb an den Anlegern in Walsum und Orsoy. Im Winter natürlich weniger. Aber jetzt ab Frühjahr beginnt die Tourismussaison am Niederrhein. „Dann stehen die Radfahrer hier durchaus Schlange.“ Dabei ist die Fähre selbst schon ein Touri-Highlight. Aber auch Oberbürgermeister Sören Link ist "Fan": "Ich möchte auf ,unsere' Fähre nicht verzichten müssen. Ein herzliches ,Glück auf!' und allzeit eine Handbreit Wasser unter dem Kiel."

Die Rheinfähre Walsum-Orsoy macht nur zwischen den Jahren Winterpause.

Übers Jahr gerechnet transportieren Nowakowski und sein Team aus vier festen Mitarbeitern und drei Aushilfen knapp 300 Pkw pro Tag übers Wasser, maximal zwölf Wagen pro Fahrt. Nur zwischen Weihnachten und Neujahr ruht das Geschäft für Reparaturen und bei sehr starkem Sturm aus Sicherheitsgründen. Die „Glück auf“ sei trotz ihrer Jahrzehnte noch gut in Schuss. „Jedes Jahr gibt es einen neuen Anstrich. Ansonsten ist es wie mit einer Frau: Du musst sie pflegen, dann hast du mehr von ihr“, ulkt Nowakowski und gibt einem Stammkunden eine neue Zehnerkarte aus. Abgerechnet wird per EC-Karte. „Auch wir sind digitaler geworden“, sagt Nowakowski.

Im erhöhten Führerstand, der über eine steile Leiter zu erreichen ist, manövriert derweil Kollege Roger Grap die „Glück auf“ wieder über den Strom. Anders als sein Chef unten zwischen den Autos und Bikes hat er keinen direkten Kundenkontakt, dafür aber weite Sicht und die Muße bei der Arbeit Podcasts hören zu können. „Das ist schon eine tolle Kulisse hier am Niederrhein“, findet Grap und bedient dabei die drei Motoren und neun Hebel für die Antriebe, Gänge und Klappen der Auffahrrampen aus dem Effeff. „Ich stelle mir schwierig vor, dass das hier irgendwann mal eine KI macht.“

Roger Grap steuert seit 15 Jahren das beliebte Transportmittel über den Rhein.

Heute sind aber ideale Bedingungen, die den erfahrenen Fährführer vor keine Probleme stellen: Sonne, nahezu windstill und ein beinahe durchschnittlicher Pegelstand von 312 cm bei einem Tiefgang der Fähre von 105 cm. „Total entspannt“, findet Dirk Nowakowski. „Ich wundere mich jedes Mal, warum die Autobahnen eigentlich brechend voll sind…

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