„CityARTist“-Preisträgerin: Ulrike Waltemathes Mikrobio-Kunst aus Alltagsdingen
Kleinigkeiten werden bei Ulrike Waltemathe richtig groß. Dafür gab es jetzt den verdienten Lohn: Die 62-Jährige wurde in Oberhausen als erste Kunstschaffende aus Duisburg mit dem „CityARTist“-Preis ausgezeichnet. Ein Atelierbesuch.
Seit mehr als 20 Jahren arbeitet Ulrike Waltemathe in einem städtischen Atelier in einem ruhigen Hinterhof an der Goldstraße. Ihre zwei Räume im Erdgeschoss sind zugleich Galerie, an jeder Wand, in jeder Ecke bunte Skulpturen. Eine Glasvitrine erweckt den Eindruck eines tropischen Gewächshauses. Doch die bunten Blumen sind nicht echt, sondern aus Alltagsgegenständen gefertigt – wie alle formschönen Kunstwerke der freischaffenden Künstlerin.
„Ich schmeiße fast nichts weg“, scherzt Ulrike Waltemathe. Alles kann Kunst sein, alles ist Kunst! Bei genauerem Hinschauen erkennt der Betrachter dann auch, dass die abstrakten Skulpturen feinsäuberlich zusammengesetzt sind. „Die Heißklebepistole ist mein liebstes Werkzeug“, sagt die Duisburgerin an ihrem Arbeitstisch, auf dem ein Biologie-Buch über Mikroskopie liegt und der von einer Deckenleuchte aus Plastikbechern beleuchtet wird.
„Die Heißklebepistole ist mein liebstes Werkzeug“
Als Werkstoffe verwendet sie oft Wattestäbchen. Aber auch Eisschirmchen, Federbälle, Zigarettenstummel, Kreppband, Pipetten, Reagenzgläser oder Gummihandschuhe können sich Waltemathes freiem Geist nicht entziehen. „Manchmal gucken mich Verkäuferinnen an der Kasse auch komisch an, wenn ich dort mit einem Wagen voller Wattestäbchen stehen. Für ein großes Werk habe ich mal alle rosa Wattestäbchen in Duisburg und Umgebung aufgekauft.“
Inspiration aus der Natur
Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Inspiration holt sich die renommierte Künstlerin aus der Natur. „Ich hab‘ schon als Kind gerne mikroskopiert, Pantoffeltierchen gezüchtet und natürlich gebastelt. Damit habe ich auch nie aufgehört.“ Nicht zufällig widmete sich in einer 97-teiligen Serie Flechten und Schimmelpilzen und schuf fremdartig anmutende Gebilde in Petrischalen. Es wirkt ein bisschen so, als würden sich in ihrem Atelier aus einem Genlabor ausgebüxte Lebewesen zu einem netten Rendezvous treffen. „Ich hatte auch mal eine Zeit, da haben mich Viren fasziniert. Seit Corona habe ich drauf aber weniger Lust.“ Viele ihrer Kunden sind daher auch Naturwissenschaftler – oder Taucher. „Im Meer findet man auch viele großartige biomorphe Strukturen“, weiß Waltemathe.
Tausende Wattestäbchen für ein Kunstwerk
Je nach Größe verbringt sie manchmal Monate an einem Kunstwerk. „Es ist wahrscheinlich eher langweilig, mir bei der Arbeit zuzuschauen“, behauptet die Preisträgerin. Gut Ding will halt Weile haben. Und wer kann schon von sich behaupten, stundenlang seelenruhig Tausende von Wattestäbchen aufzukleben? Alles ist minutiöse Handarbeit, ohne digitalen Schnickschnack. „Ich bin mein eigener 3D-Drucker“, lacht Ulrike Waltemathe.
Eine Mühe, die sich auszahlt. Gemeinsam mit neun weiteren Künstlerinnen und Künstlern aus dem Ruhrgebiet darf sich Ulrike Waltemathe jetzt „CityARTist“-Preisträgerin 2024 nennen. Der Preis wurde zum fünften Mal vom NRW-Kultursekretariat verliehen, ist mit jeweils 5000 Euro dotiert. Waltemathe ganz bescheiden: „Ich war total überrascht, aber freue mich natürlich sehr“.
Weitere Informationen sind online abrufbar: https://www.cityartists.de (Öffnet in einem neuen Tab). Die „CityARTists“-Preise werden künftig im Zweijahresturnus vergeben. Die nächste Ausschreibung startet 2026. Die Auszeichnungen richten sich speziell an bildende Künstlerinnen und Künstler, die das 50. Lebensjahr vollendet haben.