Menschlich, warm, unermüdlich: Der Kältebus bringt Hilfe auf Augenhöhe
Als Susanne Wittenborn und Volker Hirschfeld den weißen Ford Transit kurz vor neun Uhr am Schäferturm in der Duisburger Innenstadt parken, sind die ersten Kundinnen und Kunden bereits vor Ort. Die Ankunft des „Kältebusses“ des gemeinnützigen Vereins „Gemeinsam gegen Kälte“ wird sehnlich erwartet.
„Es gibt einem Struktur im Alltag, ist ein festes Ritual“, sagt zum Beispiel Horst (58). Er steuert seit einem Jahr regelmäßig die Ausgabestellen des sozialen Betreuungsfahrzeugs an. Nach einem Schlaganfall verlor er seinen Job als Berufskraftfahrer, berichtet er. So wie Horst geht es vielen der Bedürftigen und Wohnungslosen, die sich morgens ihren Kaffee, eine Flasche Wasser oder wettergerechte Kleidung abholen. Sie freuen sich nicht nur über das Nötigste, sondern auch über liebe Worte und ein offenes Ohr.
Seit mehr als 25 Jahren ist der Kältebus im Duisburger Stadtgebiet unterwegs – viermal pro Woche fahren Vereinsmitarbeiter und Ehrenamtliche die Innenstadt, Marxloh (an der städtischen Obdachlosenunterkunft Hotel Salm) oder auch Baerl an. An zwei Tagen sitzt Susanne Wittenborn mit im Bus. Inzwischen gehört sie seit fünf Jahren zum Helferteam. „Es gibt mir vor allem Zufriedenheit“, sagt sie. „Obwohl die Arbeit durchaus herausfordernd ist, gehe ich jedes Mal mit einem guten Gefühl nach Hause.“ Das gute Gefühl eben – weil man ganz uneigennützig hilft.
„Hier kommt niemand zum Schnorren. Wer am Kältebus ansteht, braucht Hilfe. Und wir bringen Hilfe – ganz niederschwellig“, betont Susanne Wittenborn, während sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Volker Hirschfeld vom Verein gekaufte Käse- und Salamibrote sowie frisches Obst (von der Duisburger Tafel) ausgibt. An diesem Dienstag gibt es sogar Kuchen - eine Spende der Bäckerei Büsch.
Lars (35) hat heute besonders großen Redebedarf. Der gelernte Kfz-Meister hat erst den Führerschein, dann den Job verloren, nun bangt er um seine Wohnung, „vereinsamt zu Hause“. „Es tut gut, hier mit anderen zu reden und sich Ratschläge abzuholen.“ Gerade dieser Austausch ist ein zentraler Bestandteil des Kältebus-Angebots – denn es geht nicht nur um materielle Hilfe, sondern auch um soziale Wärme. „Wir vermitteln die Betroffenen an Stellen, wo ihnen geholfen wird, arbeiten eng mit der Stadt, dem Jobcenter, der Tafel und der Diakonie zusammen – wir haben ein gutes Netzwerk“, erklärt Susanne Wittenborn.
Die ursprüngliche Idee des Kältebusses war es, Menschen, die auf der Straße leben, im Winter mit warmem Essen, heißen Getränken, dicker Kleidung und Schlafsäcken zu versorgen. Doch das Konzept hat sich sehr schnell weiterentwickelt. „Gemeinsam gegen Kälte“ ist ganzjährig unterwegs, verteilt an heißen Sommertagen auch Sonnencreme, Wasser und leichte Kleidung an Bedürftige – der Großteil stammt aus Spenden. „Wir schauen auch genau hin, ob es den Menschen gut geht, ob sie eventuell hitzebedingt geschwächt sind“, sagt Susanne Wittenborn.
Seit nunmehr sieben Jahren fährt auch montags und donnerstags der „Medibus“ durch Duisburgs Straßen. Er versorgt Obdachlose und Menschen ohne Krankenversicherung, die sich nicht in Arztpraxen trauen. An Bord sind stets ein Mediziner und eine Pflegefachkraft.
Der ehemalige Burgenrestaurator Axel (64) ist inzwischen Stammgast am Kältebus am Schäferturm. Manchmal hilft er sogar außerhalb des Busses mit. „Uns wird geholfen – da kann man dann auch gerne mal was zurückgeben.“ Ein Arbeitsunfall, bei dem er „zwei Zentimeter am Rollstuhl vorbeigeschrammt ist“, und die Trennung von seiner Lebensgefährtin brachten den Mann mit dem geflochtenen Bart vor drei Jahren in seine Notlage. Der Kältebus ist für den gebürtigen Bayer zu einem „sozialen Treffpunkt“ geworden. „Es ist einfach toll, dass es ihn gibt – und wenn es nur zum Quatschen ist.“
Gerade den zwischenmenschlichen Kontakt findet Volker Hirschfeld besonders wichtig. „Das sind alles Menschen, die möchten, dass man ihnen auf Augenhöhe begegnet – und nicht von oben herab.“ Genau das ist sie: die soziale Wärme, die der Kältebus verbreitet.
So arbeiten Stadt und Gemeinsam gegen Kälte e.V. zusammen
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Der Verein „Gemeinsam gegen Kälte Duisburg e. V.“ unterstützt seit vielen Jahren das trägerübergreifende Hilfesystem der Wohnungslosen- und Obdachlosenhilfe in der Stadt und übernimmt gleichzeitig eine wichtige Scharnierfunktion, um Menschen aus der Obdachlosigkeit herauszuholen oder diese abzuwenden. Die ehrenamtlichen Mitarbeitenden des gemeinnützigen Vereins helfen Menschen in Duisburg, die obdachlos oder von Obdachlosigkeit bedroht sind. Die soziale und medizinische Hilfe der ehrenamtlichen Mitarbeitenden des Vereins durch den Kälte- und den Medibus wird durch eine niederschwellige Beratung ergänzt, deren Ziel eine Vermittlung an Regeldienste der Wohlfahrtspflege, der Kommune, medizinische Einrichtungen und anderer Institutionen ist. Damit ebnet der Verein im Rahmen seines Bürgerschaftlichen Engagements allen Hilfesuchenden den Weg in professionelle Hilfen und in ein Leben abseits der Straße. |