Das große Krabbeln - eine Büro-WG mit Insekten

Es ist wahrscheinlich die ungewöhnlichste Bürogemeinschaft in der Duisburger Stadtverwaltung – und zugleich die vielbeinigste. Julia Rombeck und Johannes Schwabroh sind von Haus aus Biologielehrerin und Biologe.

Mittagspause bei Familie Heuschrecken: Lehren macht hungrig.

Bei der Stadt Duisburg arbeiten sie am Flachsmarkt im Kommunalen Integrationszentrum im Projekt „Integration durch Bildung“. Ihre Leidenschaft für Flora – und vor allem Fauna – ist in der Büro-WG allgegenwärtig. Überall finden sich Infobroschüren, Plakate, Poster und Bücher über Insekten und Spinnentiere. Von der Fensterbank ertönt Gezirpe. Dort kreuchen und fleuchen in Terrarien die kleinsten städtischen „Mitarbeiter“ – teilweise sind sie nur wenige Millimeter groß. Das große Krabbeln übernehmen Panda-Asseln, Ägyptische Wanderheuschrecken, Mittelmeergrillen und Schwarzkäferlarven. Für die einen sind sie Ungeziefer, für Julia Rombeck und Johannes Schwabroh sind sie pädagogisch äußerst wertvoll.

Im Seminar werden auch Unterrichtsmethoden vermittelt - zum Beispiel das Begutachten von Kleinlebewesen (hier eine Spinne) unterm Mikroskop.

Faszinierende Kettenreaktion

„Insekten sind einfach zu halten – in jedem Klassenraum. Und mit ihnen kann man Kinder ganz toll zum Sprechen anregen. Die Kinder wollen sie beobachten, irgendwann auch mal auf die Hand nehmen und sich sogar darum kümmern. Das ist eine faszinierende Kettenreaktion“, erklärt Julia Rombeck und erinnert sich an eine Begegnung mit einer ukrainischen Familie: „In den Kinderaugen war sofort ein Leuchten zu sehen, die Neugier war geweckt. Und wir hatten sofort eine gemeinsame Gesprächsbasis.“ Als man sich wieder verabschiedete, konnte die Familie sogar ein so schwieriges deutsches Wort wie „Heuschrecken“ anwenden.

Inzwischen unterrichtet die gelernte Lehrerin jedoch keine Kinder mehr, sondern pädagogische Fachkräfte an Kitas und Grundschulen. „Guck mal, wer da zirpt – Sprachförderung mit Insekten“ heißt das Seminar, das die beiden am 8. Mai in diesem Jahr anbieten. Kurzfristige Anmeldungen sind noch möglich. Insekten und Spracherwerb? Davon sind die beiden Biologen überzeugt. „Heuschrecken bewegen sich viel und machen Geräusche“, sagt Julia Rombeck. „Dieses Verhalten kann man beschreiben – und sich dabei neue Wortfelder erschließen.“

Manchmal hält sogar die hektische Heuschrecke still.

Lehrkraft statt Leibspeise

In ihrem Berufsleben hat Julia Rombeck nicht nur tierische Metamorphosen erlebt, sondern auch veränderte Zweibeiner: „Anfangs haben manche pädagogischen Kolleginnen und Kollegen noch Scheu und Berührungsängste, aber irgendwann möchten sie die Insekten sogar zur Pflege über die Ferien mit nach Hause nehmen.“ Und die Kinder lernen im Unterricht nicht nur die Interaktion mit den kleinen Lebewesen, sondern auch viel über artgerechte Haltung und Fütterung der Krabbeltiere. Zudem wird ihnen vermittelt, dass es nicht erlaubt ist, Insekten ihrer freien Wildbahn zu entreißen und einzufangen.

Julia Rombeck "hält" aber nicht nur lebende Insekten. Auch Kunststoffmodelle bevölkern als Anschuungsmaterial ihren Schreibtisch.

Die Tiere, mit denen Julia Rombeck und Johannes Schwabroh arbeiten, stammen aus Züchtungen. „Sie haben eigentlich sogar das große Los gezogen – ansonsten wären sie an Chamäleons und Co. verfüttert worden. Bei uns haben sie definitiv mehr vom Leben.“ Lehrkraft statt Leibspeise.

Und welche Insekten sind die Favoriten der beiden Lehrenden? Schwabroh: „Ich finde Schnaken sehr faszinierend. Sie fliegen so ruhig, man kann sie gut beobachten und was viele nicht wissen: Sie stechen nicht.“ Bei Julia Rombeck steht die Biene an erster Stelle: „Sie ist einfach göttlich, leistet eine unglaubliche Arbeit – und ist dabei so bescheiden.“


Frau Julia Rombeck
Sachgebietsleiterin (SGL)
Herr Johannes Schwabroh
Sachbearbeiter (Seiteneinstieg)

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