55 Jahre filmforum Duisburg: Kino zwischen Tradition und Moderne

178 rote Samtsessel, schallgedämpfter Teppich, schummeriges Licht – der große Kinosaal des filmforums Duisburg hat auch nach Jahrzehnten nichts von seinem gemütlichen Charme eingebüßt.

Wirkverstärker für den Film

Das älteste kommunale Kino Deutschlands besteht dieses Jahr seit 55 Jahren. Eine Erfolgsgeschichte, die keineswegs selbstverständlich ist.

Seit jeher ist das filmforum nicht nur ein Ort, an dem Cineasten auf ihre Kosten kommen. Hier entstehen Erinnerungen, Gemeinschaft und Reflexion. „Kino ist für den Film ein Wirkverstärker“, bedient sich Kinoleiter Michael Beckmann eines Bildes aus der Pharmazie.

Eröffnungsveranstaltung im Studio M: Regisseur Werner Herzog (re.) mit dem ersten Kinoleiter Horst Schäfer.
Eine Aufnahme aus dem Jahr 1985 anlässlich der ersten "Internationalen Duisburger Amateur Filmtage".

Wer ins Kino geht, widmet dem Gezeigten seine volle Konzentration, pendelt nicht zwischen Couch und Kühlschrank, drückt nicht nach Gutdünken auf Pause oder reizüberflutet sich durch Second Screening.

Natürlich ist auch das filmforum mit der Zeit gegangen, hat unter anderem in modernste Dolby-7.1.-Soundtechnik und 4K-Digitalprojektoren investiert, betont Beckmann.

„Aber wir versuchen auch immer, das besonders Traditionelle zu transportieren. Wir sind nach wie vor ein Programmkino.“ Und keine Nacho-Nebensache. Im schmalen Vorführraum kann Kinotechniker Martin Heilmann daher auch im 21. Jahrhundert noch fast alle längst abgelösten Formate auf klassischem Filmmaterial abspielen. Ein gelungener Spagat zwischen Bewahrung und Innovation.

Gegründet am 27. September 1970 auf Initiative des damaligen Vorsitzenden des Kulturausschusses und späteren Oberbürgermeisters Josef Krings reichen die Wurzeln des filmforums sogar noch weiter bis ins Jahr 1958 zurück. Damals wurden unter dem Dach der Volkshochschule Duisburg und bereits unter diesem Namen niveauvolle Filme gezeigt, in der Tradition der Filmclubs.

Abseits des Massenkonsums

Trotz Multiplex-Sälen und 24/7-Streamingdiensten hat sich das filmforum seine kultur- und filmhistorische Bestimmung abseits des Massenkonsums bis heute bewahrt, ist sich selbst immer treu geblieben – und hat so überlebt. Als einziges von einst 62 Duisburger Nachkriegskinos.

„Andere Filme anders zeigen“ – dieses Ausgangsmotto aus den Gründungsjahren lebt das filmforum wie kaum ein zweites Lichtspielhaus in NRW. „Wir zeigen Filme, bevor sie im Stream verfügbar sind. Und ältere Filme binden wir in Präsentationen ein“, erklärt Beckmann, offiziell Geschäftsführer der GmbH, deren alleinige Eigentümerin die Stadt Duisburg ist.  

Michael Beckmann ist seit 2020 filmforum-Chef.

1981 zog das Kino vom „Studio M“ der Mercatorhalle in das eigene Haus am Dellplatz, im katholischen Innenstadtviertel, und bildete damit das Fundament für eine beliebte Ausgehmeile nach Pariser Vorbild.

Der erfahrene Kino-Macher Michael Beckmann leitet seit 2020 die Geschicke des Kinos, führte das filmforum durch die Corona-Pandemie und setzte neue Impulse – etwa durch Kooperationen mit Schulen und medienpädagogischen Projekten, um den Nachwuchs ins Kino zu bekommen. Mit „Duisburg vor 100 Jahren“ werden historische Stadtfilme für Grundschulkinder aufbereitet. Die „Duisburger Jahrzehnte“ sind als erfolgreichste Reihe immer ausverkauft.

Das filmforum zieht auch heute noch viele Kulturinteressierte an den Dellplatz.

Unter Deutschlands Besten

Das filmforum versteht sich eben nicht nur als Ort des Alltagseskapismus, sondern hat auch einen Lehrauftrag übernommen – ein wesentlicher Unterschied zu kommerziellen Kinos. „Die Kunst bei der Programmgestaltung ist, möglichst jeden Tag für jeden etwas dabei zu haben“, sagt Beckmann.

Dass das mit Bravour gelingt, zeigt der Blick von außen. „Das filmforum wird deutschlandweit häufig unter die Top 10 der Arthouse-Kinos gelistet. Das ist für eine Stadt wie Duisburg außergewöhnlich“, weiß der Kino-Chef. Das kulturelle Wirken macht auch nicht vor den Stadtgrenzen Halt – rund 40 Prozent der Besucherinnen und Besucher sind Auswärtige.

Das Sommerkino im Landschaftspark ist seit 1996 ein Publikumsmagnet.

Filmkunst unter freiem Himmel

Ein zentraler Meilenstein und Publikumsmagnet ist dabei seit 1996 das erfolgreiche Sommerkino, das in Kooperation mit dem Landschaftspark Duisburg-Nord begeistert – eine aufwändige Open-Air-Bühne der Filmkunst mit überregionaler Strahlkraft. Unter anderem Regisseur Sönke Wortmann und Schauspieler Christoph Maria Herbst gehören zu den Stammgästen, die dort ihre neue Produktionen präsentieren.

Bemerkenswert ist auch die archivarische Funktion, die das filmforum für die Stadt Duisburg übernimmt. So betreut es die filmhistorische Sammlung, also das Bewegtbild-Gedächtnis der Stadt. Wobei Betreuung sich nicht nur auf Archivierung, Digitalisierung und Vermarktung der Rechte beschränkt, sondern die Filme in aufbereiteter und kommentierter Form regelmäßig im Kino vorgeführt werden.

Filmvorführer Martin Heilmann ist der Herr Technik. Er beherrscht auch noch den Umgang mit den ältesten Filmrollen.

Nebenbei hat man eine eindrucksvolle Sammlung von knapp 80.000 Filmplakaten aufgebaut. Im Treppenaufgang zu den beiden Kinosälen (der kleinere hat 93 Plätze) werden wechselnd Klassiker der Filmgeschichte großformatig ausgestellt.

Michael Beckmann blickt den nächsten 55 Jahren des filmforum zuversichtlich entgegen – auch dank zahlreicher Freunde und Förderer. „Die Relevanz des filmforums ist nach wie vor gegeben. Und wenn man erst einmal den Kontrast zu anderen Möglichkeiten Film zu erleben, mitbekommen hat, weiß man umso mehr zu schätzen, was unser Ambiente und die gute, abwechslungsreiche Filmauswahl bedeuten. Das filmforum ist ein eigenständiger Qualitätsbegriff, eine eigenständige Marke über Jahrzehnte geworden.“

Fixstern des Kulturlebens

Auch Kulturdezernentin Linda Wagner würdigt den Stellenwert des kommunalen Lichtspieltheaters: „Das filmforum mit seiner einzigartigen programmatischen Mischung aus Geschichte, Bildung und Arthouse ist ein Fixstern des Duisburger Kulturlebens. Es ist ein Publikumsmagnet für alle Generationen, dessen Anziehungskraft über die Stadtgrenzen hinaus reicht. Seinem hohen programmatischen Anspruch ist das filmforum in den 55 Jahren seines Bestehens treu geblieben - gerade, weil es sich kontinuierlich weiterentwickelt. In diesem Sinne gratuliere ich herzlich zum Jubiläum. Auf die nächsten 55!

Fortsetzung folgt.  

Blick aus dem Vorführraum in den großen Saal - die Technik ist auf neuestem Stand.

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