Antimuslimischer Rassismus im Bildungskontext

Podiumsdiskussion anlässlich des bundesweiten Tages gegen antimuslimischen Rassismus am 1. Juli.

Podiumsdiskussion anlässlich des Tags gegen antimuslimischen Rassismus

Wie auch im letzten Jahr veranstaltete das Referat für Gleichberechtigung und Chancengleichheit gemeinsam mit dem Kommunalen Integrationszentrum (KI) am 1. Juli 2024 eine Podiumsdiskussion zum Thema antimuslimischer Rassismus. Im Ratssaal des Duisburg Rathauses versammelten sich dafür neben den Expertinnen und Experten zahlreiche Gäste, um gemeinsam über antimuslimischen Rassismus im Bildungskontext zu sprechen und gemeinsam die politische, strukturelle Dimension von antimuslimischen Rassismus in den Blick zu nehmen. Moderiert wurde die Veranstaltung wie auch im letzten Jahr von Rachida Brigui vom Referat für Gleichberechtigung und Chancengleichheit.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Frau Elisabeth Koal, der Gleichstellungsbeauftragen der Stadt Duisburg, die direkt zu Beginn deutlich machte, wie wichtige solche Tage und Veranstaltungen sind, indem Sie auf die aktuellen Zahlen der CLAIM Allianz Bezug nahm. Im letzten Jahr konnte ein deutlicher Anstieg von rassistisch motivierten Vorfällen gegen muslimisch gelesene Personen verzeichnet werden: Insgesamt 1.926 antimuslimische Vorfälle wurden im Rahmen des zivilgesellschaftlichen Lagebildes antimuslimischer Rassismus (AMR) für das Jahr 2023 (CLAIM Allianz) (Öffnet in einem neuen Tab). Diese erschreckenden Zahlen zeigten, wie wichtig es ist, über antimuslimischen Rassismus zu sprechen. Deshalb forderte Frau Koal die Teilnehmenden und Gäste auf „Lassen Sie uns heute gemeinsam die politische und strukturelle Dimension von antimuslimischem Rassismus in den Blick nehmen.“ 

Anschließend präsentierte Ikram Kabchi, vom Sozialdienst muslimischer Frauen und Referentin für Empowerment und Antirassismusarbeit, eine kurze Keynote über antimuslimischen Rassismus und betonte ebenfalls noch einmal die erschreckende Entwicklung der in der aktuellen CLAIM Allianz dargelegten Zahlen. 

Dabei sei wichtig zu sagen, dass AMR überall zu finden ist (Schule, Beruf, Wohnungsmarkt, Gesundheitswesen, Soziale Dienste, Medien, Sicherheit und Justiz, …). Da der Fokus dieser Diskussion aber besonders auf dem Bildungsbereich lag, stellte Ikram Kabchi gleich zu Beginn klare und deutliche Forderungen an den Bildungssektor: Fortbildungen für Lehrkräfte und Schulpersonal;  Förderung Interkulturelle Kompetenz und Sensibilisierung der Schülerschaft durch Projekttage und Unterrichtseinheiten zu Rassismus, Vielfalt und Toleranz; Inklusion und Unterstützung, in Form von Entwicklung und Implementierung von schulischen Leitlinien und Programmen zur Förderung eines inklusiven und diskriminierungsfreien Schulumfelds; Bereitstellung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten; Überprüfung und Anpassung von Lehrplänen und Unterrichtsmaterialien, diese sollten frei von Stereotypen und Vorurteilen sein und die Vielfalt von Gesellschaft wiederspiegeln; Einbindung von Inhalten, die das Verständnis und Wertschätzung von verschiedenen Kulturen und Religionen fördern; Förderung des interkulturellen Dialogs durch interkulturelle Veranstaltungen und Austauschprogrammen; Einbindung von Eltern und der Gemeinde in schulische Aktivitäten, um ein gemeinsames Verständnis und die Zusammenarbeit zu fördern; Monitoring, Einrichtungen von Beschwerdemechanismen und Anlaufstellen bei denen Eltern und Schüler*innen Diskriminierung melden können, Regelmäßige Überprüfung der Werte und Maßnahmen zur Bekämpfung von AMR. 

Dabei sei es sich besonders bewusst zu machen, dass „das Problem an Schulen oftmals Machtpositionen und Hierarchien sein, was alle kennen, egal von welchen -ismen man betroffen ist“, so Kabchi. 

Auch Julia Rombeck, Koordinatorin Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage, benannte konkrete Brennthemen, die ihr in ihrer Arbeit immer wieder begegnen. Oftmals fühlen sich Schülerinnen und Schüler aufgrund ihrer Herkunft, Kultur und/ oder Religion abgehängt und nicht gehört. Diese führe zu Frustration, die irgendwann nicht mehr aufgefangen werden kann. Was hier hilft, sei ein Perspektivwechsel. „Es ist nicht immer einfach, aber es ist wichtig, dass die Schüler und Schülerinnen gehört werden!“, so Frau Rombeck. 

Klaus Stephan, Schulleiter der Lise Meitner – Gesamtschule in Rheinhausen, knüpfte genau dort an. Perspektivwechsel und Dialog seien essenzielle Ansätze im Kampf gegen AMR. In Schule müsse viel mehr in die Begegnung gegangen werden. So betonte er, es sei wichtig zu sagen und zu zeigen „Wir wollen uns kennenlernen mit den unterschiedlichen Ansichten und Kulturen“. Außerdem ginge es viel um Repräsentation. Es müsse viel mehr Personal reingeholt werden, das die Schülerschaft repräsentiere. Diese Kolleginnen und Kollegen seien unerlässliche Brückenbauer. Dazu gehöre aber auch unbedingt den Islamischen Religionsunterricht einzuführen. 

An dieser Stelle knüpfte Karim Mostafa, Studienrat, Verband muslimischer Lehrkräfte, an. Es sei wichtig, dass Bildung dafür sorgt, dass Multikulturalität und Multireligiösität geschätzt werde. Daher müsse das System geändert/ geschult werde. Er machte darauf aufmerksam „Der Religionsunterricht ist im Grundgesetzt Artikel 7 verankert. Es ist somit eigentlich nicht etwas, worum man bitten muss, sondern es ist ein Recht.“ Das Problem schilderte er in Zahlen: Es gäbe in NRW 500.000 muslimische Kinder von 2 Millionen Schulkindern, jedoch nur knapp 300 IRO-Lehrerinnen und Lehrer. 

Auch Marcel Kaya, Heroes Duisburg, zieht durch seine Arbeit den Rückschluss, dass es besonders wichtig ist, dass die Schülerinnen und Schüler jemanden haben mit dem sie sich identifizieren können, ohne dafür kämpfen zu müssen. Wichtig sei, dass es Personen außerhalb des privaten und persönlichen Umfeld gäbe, die die Realität der Schülerinnen und Schüler kennen, selbst erlebt haben/ erleben und verstehen. Zudem markiert er ein weiteres Problem mit dem muslimische Schülerinnen und Schüler täglich konfrontiert werden: „Je muslimischer/ religiöser ein Mensch seine Religion auslebt, desto mehr wird die Person stigmatisiert. Bei muslimisch gelesenen Menschen wird das oft als „Verbrechen“ dargestellt und als ob man diese Person beobachten müsse.“

Die Beiträge aus dem Publikum spiegelten genau das wider, was sowohl eingangs Ikram Kabchi forderte, aber auch was die Podiumsteilnehmenden durch ihre Beiträge deutlich machten. Es gehe vor allem um Repräsentation, um Verständnis und Sichtbarkeit, um Hilfe zu bekommen, wenn man sie benötigt und um das Abschaffen von Ungerechtigkeiten und Stereotypen. Natürlich gehe es um die Anpassung von Unterrichtsmaterialien und -strukturen, aber vor allem um die gesellschaftlichen und zwischenmenschlichen Aspekte wie mehr Anlaufstellen, bei denen man auch ernst genommen werde, mehr Sicherheit, mehr Repräsentation, mehr Aufklärungsarbeit, mehr Verständnis und mehr Rückhalt. 

Ikram Kabchi betonte noch einmal den Schülerinnen und Schülern ein Gefühl von Sichtbarkeit und Sicherheit vermitteln zu müssen: „Im Schulkontext ist es immens wichtig, den Schülern und Schülerinnen verstehen zu geben, dass sie aus sich selbst was machen können, ihnen zu zeigen:  Es gibt eine Zukunft für euch, ihr seid hier, ihr gehört zu uns und wir gehören zu euch, egal, wie ihr ausseht, wie ihr sprecht, ob ihr erst drei Jahre in Deutschland seid oder in der dritten Generation, ihr seid gleichwertig und ihr seid wichtig.“