Reschke Landschaftsarchitektur Berlin mit Rimpau Bauer Derveaux Architekten, Berlin
Beobachtungen und Analyse zeichnen das Bild eines Ortes zwischen den Zeiten: Industrie, Umbruch, Potentiale und Chancen. Aus der Rückseite, aus dem Dunklen, wird eine lebendige Promenade am Park, es entsteht ein kraftvoller Freiraum für das umgebende Quartier. Die Qualität des Parks ist dabei beides: das nachbarschaftliche Miteinander wie auch die urbane Zufälligkeit und Gelassenheit in Hochfeld. Wir denken an 2027 und darüber hinaus. HartzIV-Eck und Çay Bahçesi, üppige Quartiersgärten und schattige Treffpunkte im Park. Mitten in Hochfeld, fast direkt am Rhein…
Erläuterungstext zum Entwurf:
‚Auf Hochfeld.‘
Annäherung
Ein grau-winterlicher, mal sonnenüberstrahlter Spaziergang zwischen Rhein und Hochfeld, entlang des aufgebrochenen Randes des Quartiers, mal mit mehr, mal mit weniger Orientierung, bildet die atmosphärische Annäherung. Beobachtungen und Analyse zeichnen das Bild eines Ortes zwischen den Zeiten. Industrie, Umbruch, Potentiale und neue Chancen.
Dichte Stadt, rauhe Stadt, trennende, laute Straßen, vergessene und verwunschene Räume. Langsam lichtet sich der Qualm und der schwarze Staub wird Jahr für Jahr weniger. Aus der Rückseite, aus dem Dunklen, wird eine lebendige Promenade am Park, es entsteht ein kraftvoller Parkraum für das umgebende Quartier. Wir sitzen hier, im Schatten der alten Bäume auf den Hügeln vis-á-vis der Häuser.
Konzept
Der Rheinpark und der Grüne Ring werden zwischen Rheinort und Hochfeld vielfältig und feinmaschig miteinander verknüpft und in den Stadtraum eingebunden. Sie werden verdrahtet - wie der Ortskundige es nennt: Vom alten Drahtwerk zum grünen Stadtraum. Die fussläufigen Achsen durch den neuen Rheinort werden am Grünen Ring aufgegriffen. Dem Bonifatiusplatz als Entrée zum Stadtteil und Park kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Die gegensätzlichen Eigenarten der Parks am Rhein und in Hochfeld werden herausgearbeitet, ihre Verschiedenartigkeit inszeniert: die gebaute Landschaft vor der Weite des Rheins, hier die Dichte des an das Hochfelder Quartiers angeschmiegten Parks mit wertvollem Altbaumbestand. Der Rheinpark als auch der Grüne Ring wird jeweils über charakteristische Promenaden organisiert und erschlossen. Sonntagsausflügler am Ufer winken den Schiffen, ein heißer Nachmittag im schattigen Park vor der Haustür. Drei Jungs lachend – stehend auf einem BMX-Fahrrad - fahren sie langsam vorbei. Der Parkraum profitiert von seiner kleinteiligen Gliederung, die Dichte der Bäume heilt die ‚Wunden‘ der vergangenen Jahrzehnte. Die aufgebrochenen Blöcke, die laute Straße hinter dem Wall. Als Antwort auf das heterogene Ensemble wird der Grüne Ring als differenzierte Raumfolge entworfen. Eine parkseitig baumüberstandene, weich geformte Lärmschutztopografie und der lockere Schatten der Bäume am Quartiersrand rahmen den Park. Der Park variiert in seiner Breite, in der Sicht über die Wiesen, entlang des Weges. Neu gewonnen wird eine Großzügigkeit der Parkmitte. Durch die randseitige Wegeführung bleiben Bereiche frei, werden wieder frei und bieten zukünftig Platz für das gemeinschaftlich vielfältige Parkleben.
Die Ränder nehmen all die Nutzungen auf, sie verknüpfen mit dem Umfeld, bieten Spielraum für nachbarschaftliches Engagement. Grüne Infrastruktur ist hier, an dieser Stelle auch soziale Infrastruktur. Eine neue Bebauung entlang der Wörthstraße sowie die neue Lärmschutzmauer im Bereich der Rudolf-Schock-Straße schützen Park und Quartier. Sie geben hoffentlich zusätzliche Impulse und lassen neue Räume am rheinseitigen Rand des Parks entstehen. An der Ostseite bildet eine großzügig dimensionierte Quartierspromenade das stabile Rückgrat von Nord nach Süd. Der schmale Höhenweg erschließt die flachen, mal steilen Hügel und bildet ihr filigranes Pendant. Zusammen lassen sie eine Vielzahl von Rundwegen entstehen. Plätze und Knoten verknüpfen zu den Übergängen in Richtung Rheinpark und zum Quartier. Robust und flexibel nutzbar ausgestaltet und durch begleitende Nutzungen und Angebote ergänzt, wird die Quartierspromenade zum sozialen Treffpunkt und zur ‚Grünen Infrastruktur‘ für Hochfeld. Um die neuen Spielräume im Rahmen des Parks zu füllen und um die Angebote im Park auszuformulieren, stellen wir uns einen initialen und vor allem stetigen Dialog vor. In der Nachbarschaft, im Quartier entwickeln sich Ideen, finden sich Akteure und Initiativen, die Gärten und Orte bespielen. Im Schatten der Akazien. Stimmengewirr, Lachen, Kinder, Frauen, Menschen. Çay Bahçesi Hochfeld.
Wie wollen wir morgen leben?
Die komplexe Frage die sich die IGA 2027 an den vier unterschiedlichen Standorten stellt versuchen wir im Rahmen des Schauzeitraumes im Rheinpark und der langfristigen Gestaltung des Grünen Rings auf mehreren Ebenen zu beantworten. Folgende drei verschiedenen Themenfelder scheinen für uns an den beiden Orten und im Sinne einer realexperimentellen Antwort umsetz- als auch darstellbar.
Aktiv - Der Park als Raum für Alle. Aktiv meint Bewegung, Neugier und Experiment.
Bescheiden – Nicht alles muss sein. Bestehendes erhalten. Beobachten.
Kommunikativ - Orte der zufälligen und entspannten Begegnung, Orte des gemeinsamen Erlebens.
Städtebaulicher Ideenteil / Entwicklung Grüner Ring Süd
Es wird eine städtebauliche Fassung des südlichen Grünen Rings anschließend an den Bonifatiusplatz vorgeschlagen. Eine stadtmaßstäbliche Gliederung der ‚langen Zeile‘ ist dabei ebenso essentiell wie auch ein Kopfbau zu beiden Seiten des Antritts zum Grünen Ring. Hier wäre eine Bespielung des öffentlichen Raums aus dem EG sehr gut denkbar. Für die Fläche im Bereich der Beratungsstelle für Erwerbslose wird eine schrittweise Entwicklung ermöglicht. Es entstehen straßenseitig eine weitgehend geschlossene Bebauung um dadurch geschützt zum Park eine kleinteiligere Struktur zu ermöglichen. Für den Park wäre eine frühe Bereitstellung der vormalig bebauten Flächen von großem Vorteil, gleichwohl berücksichtigt die Führung der Quartierspromenade die gegebene Grundstückssituation.
Bonifatiusplatz
Der umgestaltete Bonifatiusplatz bildet als zukunftsfähiger Stadtplatz ein attraktives Entrée für den Stadtteil Hochfeld und Rheinort. Er verknüpft entlang des Grünen Rings und stellt ein wesentliches Bindeglied zwischen Stadt und Rhein dar. Entlang der (leider) breiten Verkehrswege wird ein Rahmen aus robust-gärtnerisch gestalteten Regenwasserbeeten vorgesehen die das anfallende Oberflächenwasser der Platzflächen aufnehmen. Ergänzt durch ein locker gestelltes lichtes Baumdach aus zukunftsfähigen Baumarten gelingt es so der ‚Weitläufigkeit‘ einen Maßstab zu geben, den Platz für Fussgänger und Radfahrer, für Aufenthalt und Bewegung attraktiv zu gestalten. Ein homogener Belagsteppich sowie eine einheitliche Möblierung verbindet alle Platzteile. Zur Gartenschau empfängt er die Gäste, wird zum Ort der Begegnung.
Ausstattung, Details, Funktionen und Wirtschaftlichkeit
Für den Grünen Ring wird eine schlichte und gleichzeitig hochwertige Ausstattung vorgeschlagen. Robuste Möbel werden entsprechend der Anwendung entlang der Promenade bzw. auf den Plätzen differenziert. Kleinteilige und lockere Möblierung ergänzt das Möblierungskonzept. Die Materialien für Oberflächen und Einbauten sind auf eine lange Lebensdauer und wertige Alterung ausgelegt. Die Ausleuchtung der Quartierspromenade und der Entréeplätze an den Brücken wird durch niedrige Mastleuchten erreicht. In den Nachtstunden wird die Beleuchtung in allen Bereichen auf ein normgerechtes Mindestmaß abgesenkt. Es werden nur Leuchten mit energieeffizienter, langlebiger und wartungsarmer LED-Technik eingesetzt. Weitgehend alle Bereiche sind schwellenlos zugänglich. Ganzjährig gut begeh- und berollbare Oberflächen und Aufenthaltsangebote mit Aufstellflächen für Rollstühle und Kinderwägen bieten hohen Nutzungskomfort für Alle. Für den Bereich des Bonifatiusplatzes wird eine ‚Quersubventionierung‘ bzw. eine Anpassung des Budgets empfohlen. Mit dem als Obergrenze genannten Budget lässt sich der Platz voraussichtlich nur mit Kompromissen umsetzen. Insgesamt sind die Ansätze für die weiteren Bearbeitungsgebiete passend, vorbehaltlich der Unwägbarkeiten bezogen auf Baugrund und Vorbelastungen.
Verkehrsberuhigung / Fahrradstraßen
Den öffentlichen Raum, Platz- und Verkehrsräume für Fussgänger und Radfahrer zurückzugewinnen ist ein dringender und richtiger Schritt. Ein Beitrag zu einer lebenswerten Stadt Duisburg über das Jahr 2027 hinaus. Unter dem Arbeitstitel ‚Die Zebras sind los‘ wird eine Serie von Freiraummöbeln vorgeschlagen die zur (temporären) Verkehrsraumgestaltung genutzt werden können. Abgeleitet aus klassischen Baustellenbarken, oder Fahrbahnabsperrungen werden sehr gut sichtbare Objekte zur Gliederung der temporär oder initial anders genutzten Verkehrsflächen vorgesehen. Durch Ihre Ausgestaltung und Dimension lassen sich informell aneigenbare Situationen im öffentlichen Raum mit verhältnismäßigem Aufwand herstellen. Einseitig gerundete, bankähnliche Sitzbalken, bekletterbare Volumen fungieren als Lehnen und ein überkopfhohes Infoobjekt markiert den Ort und bietet Flächen für Informationen. Es werden drei Größen und Typen als robuste Kunststofftanks vorgesehen. Durch die Befüllung mit Wasser kann gleichzeitig ein Reservoir für die Bäume der Stadt Duisburg an heißen Tagen bereitgestellt werden. Während der IGA können die Objekte darüber hinaus die Wegeführung zum Haupteingang unterstützend markieren. Die blau-weiß, in MSV-Farben, gestreiften Objekte und Bodenmarkierungen markieren mehr als nur temporäre Verkehrsberuhigungsmaßnahmen - sie werden zum Sinnbild für die Duisburger Verkehrswende.
Internationale Gartenschau 2027 - Zukunftsgärten
Die IGA-Beiträge fügen sich räumlich als auch minimalinvasiv in die Schollenlandschaft ein. Entlang der von Wechselflor gesäumten Promenade sind die intensiveren Beiträge verortet. Hier sind Eingriffe in den Boden ohne größere Schäden am Bestand im Rahmen der Baudurchführung möglich. Auf den Schollen werden die Beiträge mit vegetativem Schwerpunkt verortet, die geringere Eingriffe in den Boden erfordern. Die IGA-Promenade und der IGA-Loop im Rheinpark verbinden die Gärten auf den Schollen mit dem Rheinufer und dem Kultushafen. Die Blumenhalle und die große Gastronomie schlagen wir auf dem Baufeld des neuen Stadtquartiers vor. Hier ist eine Andienung ohne Störung der Besucher möglich. Die Wegeführung auf den Schollen wird über Schwerlastplatten auf einem Erdplanum -20cm gegenüber dem Bestand hergestellt. Alle Ausstellungsbeiträge sind so schwellenlos erreichbar und die Eingriffe sind nach der IGA reversibel. Die Erreichbarkeit des Skateparks und der Gastronomie ‚Ziegenpeter‘ bleibt von Norden uneingeschränkt möglich. Der Kultushafen wird als Veranstaltungsort im Rahmen der IGA eingebunden. Am Parkplatz werden ein attraktiver Eingangsbereich und eine Shuttlebus-Station vorgesehen. Optional kann hier der Gärtnermarkt mit direkter Vorfahrt zur Abholung vorgesehen werden.
Wasserturm im Rheinpark
Die Ringbühne des denkmalgeschützten Wasserturms wird als Aussichtsplattform für Besucher zugänglich gemacht. Dazu wird eine freistehende, zweiläufige Treppe vorgeschlagen. Diese wird als schlichte, skulpturale Stahlkonstruktion ausgebildet, die durch ihre gegensätzliche Formensprache die Filigranität des Stahlturms unterstreicht. Die Treppe funktioniert statisch unabhängig vom Wasserturm, sie ruht auf drei Fundamenten aus Stahlbeton und wird aus weitgehend vorgefertigten Elementen vor Ort zusammengesetzt. Vorgeschlagen wird eine Oberfläche aus satinglänzendem Metall, das die changierende Farbigkeit des Himmels und des umgebenden Parkbaumbestands diffus reflektiert. Zur IGA kann der Turm und die Treppe als Ort für Performances und Veranstaltungen genutzt werden.
Kultushafen und Südhafen / Ideenteil Süd
Aus der streng und funktional gebauten und über die Jahre sanft überwachsenen Topografie des Hafens wird an dessen Kopf eine Terrassenlandschaft vielfältiger Nutzbarkeit entwickelt. Eine sanft geneigte Wegerampe gegliedert durch seitlich auslaufende Schleppstufen und extensiv-grüne Böschungen führt hinunter (fast) auf Wasserniveau. Locker gestellt wachsen Weiden, Pappeln und Birken am Rand des Treppenplatzes und spenden Schatten für die auf den Terrassen ruhenden Panoramabänke. Am Kopf des Hafens besteht unter einem lockeren Dach aus Robinien und Gleditschien hohe Verweilqualität trotz der nahen Hochstraße. Der Platz kann (temporär) für Außengastronomie genutzt werden. Die östlich des Platzes anschließenden Flächen werden extensiv als Rückzugsflächen für Reptilien entwickelt. In gestalterischer Fortführung des in den Böschungen bestehenden Verbundpflasters wird ein einheitlicher Teppich für den Platz am Kultushafen vorgesehen. Die umgebenden Flächen werden im Bestand erhalten oder als einfache Beläge (Asphalt, Tenne) hergestellt. Entlang des Südhafens wird eine extensive, teils raue, Entwicklung der begleitenden Flächen vorgeschlagen. Ökologische Korridor - und Rückzugsorte werden durch punktuelle freiräumliche und bauliche Angebote angereichert. Durch Führungen und Information wird der Wert des ‚extremen‘ Standortes für die Pflanzen und Tiere vermittelbar. Die Intensität der früheren industriellen und zukünftigen Freizeitnutzung (Hafenwelten) steht im lebendigen Kontrast zur robusten ‚Einfachheit‘ der Flächen. Die übergeordnete Verknüpfung zur Wanheimer Rheinuferpromenade wird intuitiv nutzbar hergestellt.
*Auf Hochfeld.
Unter dem Arbeitstitel ‚Auf Hochfeld.‘ wird aus der fragmentierten Struktur des Bestands heraus ein kraftvoller, identitätsstiftender und stimulierender Freiraum für das umgebende Quartier entwickelt. Die Qualität des Parks ist dabei beides: das nachbarschaftliche Miteinander wie auch die urbane Zufälligkeit und Gelassenheit in Hochfeld. Wir denken an 2027 und darüber hinaus. HartzIV-Eck und Çay Bahçesi, üppige Quartiersgärten und schattige Treffpunkte im Park. Mitten in Hochfeld, fast direkt am Rhein…